Es war einer dieser Momente, die mein Herz berührten. Ein Moment, indem mir wieder mal klar wurde, warum ich Menschen liebe. Ich war mit meinen Freundinnen übers Wochenende in Triest. Beim Frühstück am Sonntag beschlossen wir vor unserer Heimreise einen Abstecher nach Grado zu machen. Für mich passte das sehr gut, denn ich hatte dort ohnehin noch etwas zu erledigen. Im Sommer kam mir die Idee, dass es schön wäre, wenn das Bild eines Künstlers aus Grado mein Buchcover zieren würde. Ich kannte zwei gradeser Maler. Einen kannte ich beim Namen. Seine Bilder wurden auch schon in Linz ausgestellt. Den Namen des anderen Malers kannte ich leider nicht und deswegen wollte ich nochmal in sein Atelier. Bei meinem ersten Grado Besuch vor zwei Jahren entdeckte ich seine Bilder. Ich mochte sie vom ersten Moment an. Sie erinnerten mich an Miami Beach. Seitdem kam ich jedes Mal zum Schaufenster seines Ateliers, wenn ich in Grado war. Letzten Sonntag begleiteten mich meine Freundinnen in sein Atelier. Von seinen Bildern gab es nun auch Poster zu erwerben. Ich fand die Idee gut. Ich war mir nie sicher, ob ich ein Bild kaufen sollte oder nicht. Ich war nicht sicher, ob mir ein Bild vom Strand zu Weihnachten in unserem Haus in Österreich gefallen würde. Doch in den letzten Jahren hatten sich im Flur unseres Obergeschosses Bilder und Dekogegenstände aus dem Süden angesammelt, sodass ein weiteres Bild vom Strand gut passen könnte. Der Plan war, das Poster einzurahmen und aufzuhängen, um zu sehen, ob es von der Größe und von der Stimmung für mich passt. Der Künstler persönlich war im Atelier. Ich fragte ihn nach den Preisen. Er nannte sie und das Gespräch begann. Auf italienisch. Es entwickelte sich eher zu einem Monolog. Ich spreche kein italienisch. Ihn schien es nicht zu stören. Er sprach weiter. Ich verstand nur Teile, hörte ihm aber gerne zu. Er sah mir in die Augen. Manchmal irritiert mich ein direkter Augenkontakt. Dieses Mal nicht. Meine Freundin, die italienisch spricht, half ein paar Mal aus. Er erzählte, dass er in den Dolomiten geboren wurde und in Venedig studierte. Ich mochte seine Augen und seine Stimme. Er dürfte schon einiges erlebt haben. Er hatte diese Gelassenheit und Ruhe, die ich mag. Er wusste, wovon er spricht. Er wusste, was er mag und was nicht. Da gab es kein Dazwischen. Er sprach weiter. Er sprach von seinen Ausstellungen. Am liebsten hätte ich mich in einen Stuhl fallen lassen. Ich hätte ihm noch eine Ewigkeit zugesehen und zugehört. Doch er meinte, er müsse nun das Poster, das ich haben möchte, signieren. Ich freute mich. Doch auf seinem Schreibtisch war kein Platz zum Signieren. Er beschloss auf dem Fliesenboden zu signieren. Also kniete er auf dem Boden und signierte. Mir war das etwas unangenehm. Es wäre nicht notwendig gewesen. Ich bedankte mich. Er hatte mein Herz berührt. Seine Augen hatten mehr erzählt als seine Worte. Den Klang seiner Stimme habe ich heute noch in meinen Ohren. Ich kenne nun mehr als seinen Namen. Beim Verlassen des Ateliers fragte mich meine Freundin: „Kennst du diesen Maler?“ Ich antwortete: „Nein, eigentlich nicht. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.“
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