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Spiel des Lebens

Etwa eine halbe Stunde wohnte ich dem Theaterstück nun bei. Meine Freundin hatte mich mitgeschleppt. Sie wollte unbedingt zur im Anschluss stattfindenden Premierenfeier. Nun saß ich hier und konnte mit dem Stück nichts anfangen. Meine Laune war nicht die beste. Ich hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Es war meine Schuld. Ich hatte bis spät in die Nacht gelesen. Das Buch war spannend. Ich konnte nicht aufhören. Ein Liebesroman. Für gewöhnlich lese ich keine Liebesromane. Seitdem ich selbst an einem schreibe, habe ich bewusst die Entscheidung getroffen, keine zu lesen, da ich mich nicht beeinflussen lassen wollte. Ich wollte nicht unbewusst etwas übernehmen. Im Frühling machte ich die erste Ausnahme. Ein Liebesroman war erschienen, den ich lesen musste. Vor einigen Wochen meinte meine Freundin, dass ich unbedingt diesen Liebesroman, der mir nun die Nacht verkürzt hatte, lesen müsse. Ich erklärte ihr, dass ich im Moment keine Liebesromane lesen würde. Sie bestand darauf und drückte mir das Buch in die Hände. Das Cover sprach mich überhaupt nicht an. Doch als ich zu lesen begann, ließ es mich nicht mehr los. Im Gegensatz zu diesem Theaterstück. Hiervon wollte ich mich losreißen und ging zur Toilette. Als ich zurückkam, versuchte ich erneut dem Stück zu folgen. Ich beobachtete die anderen Menschen. Ihnen schien es zu gefallen. Jetzt fiel mir aber der Schauspieler auf, der schon seit Anfang an auf der Bühne stand und nun zu singen begonnen hatte. Die Schauspielerin stimmte ein. Plötzlich war ich im Moment gefangen. Für eine Weile war ich mittendrin. Danach fragte ich mich, ob die beiden privat ein Paar waren. Vielleicht stellte ich mir diese Frage aber nur deswegen, weil der Roman, den ich las, von der Liebe zweier Opernstars handelte.

Nach dem Theaterstück wartete die Premierenfeier auf uns. Meine Freundin konnte es kaum erwarten. Mir wäre es auf meiner Couch zuhause lieber gewesen. Es hatte zu schneien begonnen und ich wollte die Schneeflocken bestaunen, mir war nicht nach Small Talk. Da musste ich nun aber durch. Ich beherrschte den Small Talk gut, was aber nicht heißt, dass er mir gefiel. Ich mochte Gespräche, bei denen ich etwas Neues erfuhr und damit meine ich nicht Tratsch und Klatsch. Damit konnte ich nichts anfangen. Ich war so unsagbar müde, dass ich mir Kaffee holte und das auf einer Party. Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Die meisten tranken Alkohol und aßen Snacks. Ich ging zu einem Tisch, ließ mich mit meinem Kaffee nieder und aß Kekse. Ich folgte den Gesprächen am Tisch und ließ ab und an meinen Blick durch den Saal schweifen. Da sah ich ihn. Den Schauspieler, der mir erst aufgefallen war als er zu singen begonnen hatte. Er hatte etwas Spezielles an sich. Sein Auftreten war anders. Locker. Vielleicht gefiel er mir, weil er anders war. Auch er holte sich Kaffee und Kekse. Ich staunte nicht schlecht als er am selben Tisch allerdings am anderen Ende Platz nahm. Es war ein schöner Zufall und ehrlich gesagt war ich über den gewissen Abstand froh. Unauffällig beobachtete ich ihn. Er gefiel mir. Er hatte schwarzes, gewelltes Haar. Er strahlte eine gewisse Eleganz aus. Auch sein Blick wanderte ab und an zu mir. Ich wich seinen Blicken allerdings aus. Nun nahmen auch andere Schauspieler am anderen Ende des Tisches Platz. Die Schauspielerin, die mit ihm auf der Bühne gesungen hatte, nahm neben ihm Platz. Sie dürften tatsächlich ein Paar sein. Sie aß Snacks und trank Cola. Auch ihre Blicke wanderten zu mir. Vielleicht weil er einmal zu oft zu mir sah oder ich einmal zu oft zu ihm.

Ich verließ die Party zeitig. Ich wollte den Roman zu Ende lesen. Ich wollte wissen, wie die Geschichte weitergeht. Vom Taxi aus betrachtete ich das Schneegestöber und ich fragte mich, ob dieser Roman meine Realität eingefärbt hatte.