Etwa eine Woche nach meinem Grado Aufenthalt sitze ich mit einer Freundin in einem Café in Linz bei Rührei mit Avocado und Zitronenverbenentee. Sie erzählt mir von ihrer bevorstehenden mehrwöchigen USA-Reise. Ich mag die Gespräche mit ihr. Sie ist weltoffen. Sie hat diese erfrischende und dennoch sehr entspannte Art. Ich habe einen Auftrag für sie in Kalifornien. Sie muss für mich ein bestimmtes Restaurant aufsuchen in Santa Monica und muss mir dann berichten, wie es dort ist. Sie wechselt nun aber das Thema und fragt mich: „Wie war eigentlich dein Urlaub in Grado?“ Ich sage: „Schön! Du weißt schon – Hotel, Pool, Sonne, Strand und Meer.“ Ich bin dabei, ihr von der Lagune zu erzählen als sie mich unterbricht und fragt: „Hast du ihn gesehen?“ Ich weiß, wen sie meint. Ich sehe ihn immer in Grado. Wir laufen ständig aneinander vorbei. Manchmal muss ich selbst über diesen Zufall lachen und manch eine oder einer, die oder der mit mir in Grado war, wundert sich auch, dass er ständig und überall auftaucht. Ich sage zu meiner Freundin: „Ja, natürlich.“ Sie fragt: „Hast du mit ihm gesprochen?“ „Nein, ich kann nicht. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen und deswegen laufe ich lieber davon. Er macht mir Angst.“ Während ich ihr das sage, sehe ich ihr in die Augen. Ich blicke gerne in die Augen meines Gegenübers und ich denke, ich kann jedem in die Augen sehen. Außer ihm. Beim ersten Gespräch mit ihm sah ich ihm in die Augen. Ich hatte im Hotel etwas gesucht und ihn danach gefragt und dabei etwas ganz anderes gefunden. Etwas, das ich gar nicht gesucht hatte. Zumindest nicht bewusst. Danach war alles anders. Dieser Augenblick hat mein Leben verändert. Ich bin nicht bereit, einen zweiten Blick in seine Augen zu wagen. Irritiert sieht mich meine Freundin an und fragt: „Warum kannst du nicht mit ihm reden? Du kannst dich doch mit jedem unterhalten. Du bist offen und weißt doch immer etwas zu reden.“ „Ich weiß, aber sobald ich ihn sehe, laufe ich davon. Ich kann es mir selbst nicht erklären“, sage ich. Lange Zeit habe ich mich gefragt, warum das so ist. Ich fand bis heute keine Antwort und mittlerweile suche ich auch nicht mehr danach. Es ist, wie es ist. Ich sage weiters: „Ich bin ihm dennoch sehr dankbar. Er hat mir viel Glück gebracht. Er war meine Inspiration.“ „Schick ihm dein Buch“, sagt sie nun. Ich frage mich, auf was meine Freundin heute hinauswill und entgegne: „Ich brauche jetzt zuerst einen Verlag. Außerdem glaube ich nicht, dass er sich für das Buch interessieren würde. Ich denke, er interessiert sich hauptsächlich für Zahlen.“ „Du musst ihm das Buch schicken. Er muss es wissen. Ohne ihn würde es das Buch nicht geben“, sagt sie. Ich bin nicht so begeistert von ihrer Idee, ihm das Buch zu schicken, sage aber dennoch: „Ja, vielleicht schicke ich ihm irgendwann einmal ein Exemplar.“ Damit gibt sie sich nun nicht zufrieden und sagt: „Ich denke, ich muss mir dieses Grado mal ansehen. Mit dir. Wann wollen wir fahren?“ „Ich war letztes Wochenende dort. Ich werde jetzt nicht wieder hinfahren“, sage ich. „Du kennst die Hotels in Grado. Buche ein Zimmer für September“, entgegnet sie. Ich sage nichts darauf, weil ich nicht weiß, was ich darauf sagen soll.
Als wir zum Auto gehen, sagt sie: „Und eigentlich solltest du ohnehin am Meer wohnen. Das würde viel besser zu dir passen.“ Ich verstehe heute nichts mehr. Ich sage: „Ja, vielleicht lege ich mir irgendwann eine Ferienwohnung am Meer zu.“ „Nicht irgendwann. Du sollst es jetzt machen“, sagt sie.
Cookie | Dauer | Beschreibung |
---|---|---|
pll_language | 1 year | The pll _language cookie is used by Polylang to remember the language selected by the user when returning to the website, and also to get the language information when not available in another way. |