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Nizza IV

Die Zigarette konnte an meinem Gefühlszustand gestern Abend nichts ändern. Doch heute ist ein neuer Tag. Der Himmel ist wolkenlos hier in Nizza und ich bin ausgeschlafen. Der kleine italienische Exkurs vom Vortag ist Vergangenheit. Ich und meine Schwestern wollen heute einen Ausflug machen. Wir sprechen über Èze und Monaco. Ich muss allerdings nach Juan-les-Pins. „Warum nach Juan-les-Pins?“, fragen sie mich. Es ist nicht einfach zu erklären, aber ich versuche es. Bei mir zuhause gibt es ein Ritual. Nach dem Mittagessen liege ich für circa 10 Minuten auf der Couch. „Fallenlassen“ nenne ich das. Einmal passierte es, dass mir während meines Rituals ein englischer Text einfiel, den ich aufschreiben musste. Juan-les-Pins kam darin vor. Ehrlich gesagt wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, wo dieser Ort war. Mittlerweile weiß ich, dass dieser Ort nicht weit von Nizza entfernt ist. Deswegen müssen wir heute nach Juan-les-Pins. In Antibes steigen wir aus dem Zug. Wir beschließen zu Fuß nach Juan-les-Pins zu gehen. Wir kommen an Supermärkten, Snackbars, Friseursalons und Wohnblöcken vorbei. Ich suche nach Schönem. Wir gehen und nach einiger Zeit frage ich mich, ob ich tatsächlich die richtige Wahl getroffen habe. Schlechtes Gewissen meinen Schwestern gegenüber schleicht sich aus dem Hinterhalt an. Immerhin war Juan-les-Pins meine Idee. Ein paar Palmen tauchen an den Straßenrändern auf. Wir dürften nun Juan-les-Pins erreicht haben. Wir gehen Richtung Meer entlang des Boulevards Edouard Baudoin, einer von Palmen gesäumten Straße. Ich blicke nach oben, der blaue Himmel und die Palmblätter über mir und plötzlich steigt Leichtigkeit in mir auf. Ich erinnere mich an Florida und Kalifornien. Von dort kenne ich diese Leichtigkeit. Ich brauche nun eine Sonnenbrille. Meine liegt zuhause in Österreich, eingewintert in einer Kommode. Ich gehe in einen Laden und kaufe Ohrringe, eine Halskette und eine Sonnenbrille. Ich will das Gefühl der Leichtigkeit tragen und mit nach Hause nehmen. Wir gehen zum Strand und setzen uns. Wir blicken auf das Meer und sehen den Menschen am Strand zu. Ein paar Sonnenanbeter sind hier, ein paar Badegäste, Kinder, die im Sand spielen. Und wir. Am 4. Januar sitzen wir hier in Juan-les-Pins bei Sonnenschein in Jeans und Pulli am Strand.

Wir wollen weiter in die Altstadt von Antibes und verlassen den Strand. Wir kommen an einer Baustelle vorbei, die uns fasziniert, dem ehemaligen Hôtel Provencal. Im Jardin de la Pinède treffen wir auf Läufer. Unser Weg führt uns durch Siedlungen. Wir reden nicht viel, sondern lassen die Eindrücke auf uns wirken. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre. An der Promenade Amiral de Grasse beschließen wir zu essen. Das Licht ist speziell, die Stimmung einzigartig. Menschen bestellen Eis, Champagner, Austern, Käse und Weißwein. Im Hintergrund ertönt sanft die Melodie zu „What the world needs now is love“ und ich verfalle dem Moment, indem alles perfekt ist, hier am Meer, in Antibes, an der Cote d’Azur.

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