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Nizza V

Heute ist der letzte Tag unseres Aufenthaltes in Nizza. Wir frühstücken und gehen nochmal zum Meer. Ich muss ihm Tschüss sagen und ich verspreche ihm, dass wir uns bald wiedersehen werden. Ich gebe auch ein Versprechen an Nizza ab, und zwar, dass ich wiederkommen werde, denn ich mag das, was die Côte d’Azur mit mir macht. Ich treffe auch eine Abmachung mit mir: Die Leichtigkeit, die ich hier erleben durfte, nehme ich mit nach Hause. Und wenn mir die Leichtigkeit zuhause abhandenkommt, dann muss ich mir Nizza in Erinnerung rufen.

Im Hotel packe ich meine Sachen, verschließe meinen Koffer und werfe den Plastikgepäckanhänger, den sie meinem Koffer am Wiener Flughafen verpasst haben, in den Mülleimer. Ich und mein Koffer sind bereit für einen neuen Anhänger mit einem neuen IATA Code.

Mit der Straßenbahn fahren wir zum Flughafen. Wenn ich mit meinen Schwestern reise, dann übernehmen sie gerne die Organisation. Sie verwalten die Buchungen. Ich mag das, weil ich mich um nichts kümmern muss. Ich kann mich in der Straßenbahn entspannt zurücklehnen und Nizza noch einmal auf mich wirken lassen. Auch die männliche Stimme der Straßenbahn-Durchsage lasse ich auf mich wirken. Ich mag sie. Sie berührt etwas in mir. Allerdings kann ich es nicht zuordnen, ob es die Stimme ist, die mich berührt, oder die Sprache oder die Kombination aus beidem. Ich frage mich, was passieren würde, wenn der Mann, dem diese Stimme gehört, vor mir stehen würde. Meine Schwester reißt mich aus den Gedanken. Wir müssen aussteigen und wir müssen uns beeilen. Schnellen Schrittes gehen wir in das Terminal 1 und steuern auf die Flughafenanzeige für die Abflüge zu. Kein Flug nach Wien taucht auf dieser Anzeige auf. Wir halten Ausschau nach der nächsten Anzeige. Wieder kein Abflug nach Wien. „Ich habe schon viele Flughäfen gesehen, aber das habe ich noch nie erlebt.“ Während ich das sage, taucht ein Bild in meinem Kopf auf. Wir sind an einem Terminal ausgestiegen, an dem wir bei unserer Ankunft in Nizza mit der Straßenbahn vorbeigefahren sind. Das Bild des Cafés vor dem Terminal 1 habe ich in meinem Kopf gespeichert. Mein Gedächtnis ist faszinierend. Es speichert jedes scheinbar noch so unwichtige Detail. Ich ziehe mein Handy aus der Jackentasche. Der Blick auf das Flugticket bestätigt meinen Verdacht und das scheinbar unwichtige Detail ist nun doch wichtig, denn wir sind im falschen Terminal. „Wir müssen mit der Straßenbahn weiter zum Terminal 2. Wir sind eine Haltestelle zu früh ausgestiegen“, sage ich. Mit großen Augen sehen wir einander an und beginnen Richtung Straßenbahnhaltestelle zu laufen. Während des Laufens muss ich lachen, denn vielleicht möchte es der Zufall so haben, dass wir einen Tag länger in Nizza bleiben. In der Straßenbahn angekommen, bin ich ein wenig außer Atem. Amüsiert und gespannt blicke ich auf die Straßenbahntür, die nun schließt.

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