Die Schule war ein einfaches Spiel. Bis auf Deutsch. In der Oberstufe schaffte es mein Deutschprofessor mir stets eine andere Note als all die anderen Professoren zu geben. Die Deutschnote auf meinem Zeugnis sprang deshalb ins Auge. Ich konnte es ihm nicht recht machen. Das, was ich schrieb, war für ihn durchschnittlich. Schrieb ich aber über Politik, die mich eigentlich überhaupt nicht interessierte, wurde der Text mit „Sehr Gut“ benotet und wenn es um die Interpretation von Gedichten ging, bewegte ich mich Richtung „Nicht Genügend“. Es war interessant. Ich war ihm nicht böse, ich mochte ihn. Ich glaubte ihm, dass Deutsch nicht meine Stärke war und eigentlich kümmerte es mich auch nicht weiter, denn mein Herz schlug für die Naturwissenschaften und als meine Biologieprofessorin zum ersten Mal von der Desoxyribonukleinsäure erzählte, war es um mich geschehen. Ich wusste, was ich zu studieren hatte.
Im ersten Semester an der Uni langweilte ich mich. Offensichtlich hatte ich eine sehr gute Biologieprofessorin, denn das, was mir in den Vorlesungen erzählt wurde, kannte ich großteils schon. Aus Langeweile überlegte ich, etwas anderes zu studieren. Bevor ich absprang, wurde es interessant. Das Doktoratsstudium hatte ich eigentlich nie im Sinn. Es ergab sich zufällig. Nach der Diplomarbeit wurde ich gefragt, ob ich am Institut bleiben möchte. Ich blieb, weil es mir Spaß machte. Ich arbeitete in einem tollen Team und es war spannend. Als ich meinen ersten englischen Vortrag über meine Forschungsergebnisse am Institut hielt, nahm mich mein Doktorvater nach dem Vortrag zur Seite und gratulierte mir. Nicht zu meinen Forschungsergebnissen, wie man vielleicht erwarten würde, die kannte er bereits. Er war von meinen Englischkenntnissen begeistert, fragte mich, ob ich längere Zeit im Ausland verbracht hatte. Hatte ich aber nicht und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass mein Englisch besonders war. Ab diesem Zeitpunkt nahm er mich gemeinsam mit anderen Kollegen mit in die USA. Wir waren in Boston, San Francisco, New York und Los Angeles. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl dort. Nicht bei meinen Vorträgen – ach, was war ich aufgeregt! Ich fühlte mich in diesen Städten wohl. Ich wurde oft angesprochen und ich führte oft Gespräche mit mir eigentlich fremden Menschen über Gott und die Welt. Ich mochte diese Offenheit, diese Lockerheit. Meinem Doktorvater bin ich heute noch sehr dankbar.
Mein letzter USA Aufenthalt liegt nun 10 Jahre zurück. Einiges hat sich geändert. Ich habe die Universität verlassen und in eine Firma gewechselt. Auch die Forschung habe ich verlassen. Ich habe Kinder bekommen und zu schreiben begonnen. Das Schreiben ist relativ neu für mich. Es verwirrte mich anfangs selbst, dass ich schreiben wollte. Darauf wäre ich nie gekommen. Es ergab sich von selbst. Es macht mir große Freude. Manchmal aber zweifelte ich selbst an mir, an diesem neuen Weg. Da sagte jemand zu mir: „Schau, dass du immer ein Blatt Papier und einen Stift bei dir hast, dann kann dir nichts passieren.“ Ich hatte nie einen Stift und auch kein Blatt Papier bei mir, aber ich speicherte jede Zeile, die mir in den Sinn kam, in meinem Kopf.
Vor gut einem Monat saß ich in einer Runde und eine Dame erzählte über die bevorstehende Eröffnung eines Cafés und den Plänen. Diverse Autoren sollten kommen, um aus ihren Büchern zu lesen. „Judith, du übrigens auch!“ sagte sie zu mir. Das freute mich, machte mich aber irgendwie auch nervös. Ich sagte: „Das Buch ist nicht fertig. Ich stecke mitten in der Überarbeitung.“ Sie meinte: „Das ist egal. Es wird fertig werden und du wirst die Erste sein, die liest.
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