Für mich tragen Länder Farben und wenn mich jemand fragen würde, welche Farben Kroatien trägt, dann wäre meine schnelle Antwort: Blau, Weiß, Grün und Beige. Das Blau kommt vom Meer und vom Himmel. Das Grün entspringt der Vegetation, den Gewässern. Das Beige stammt von den Steinmauern, den Pflastersteinen und den Steinhäusern. Woher das Weiß kommt, weiß ich eigentlich nicht. Vielleicht von den Segelschiffen, den Möwen, womöglich von der Reinheit und Klarheit des Wassers.
Ich bin zurück auf meiner Insel. Drei Jahre war ich nicht hier. Zu lange, stelle ich fest. Eigentlich komme ich jedes Jahr. Mindestens einmal. Diese Insel ist mein Anker. Ich weiß, dass hier alles gut ist. Als ich zum ersten Mal hier war, schwamm ich von einer Bucht zur nächsten. Dort stieg ich aus dem Wasser und sah mich um. Ich kam zu einer Straße. Im Bikini ging ich die Straße entlang. Das mache ich für gewöhnlich nicht, aber ich konnte mein Strandkleid nicht überstreifen, es lag in der anderen Bucht. Es war mir auch ein wenig gleichgültig, weil hier ohnehin niemand zu sehen war. Zu meiner linken Seite waren Pinien, dahinter das Meer, zu meiner rechten Seite Häuser. Vielleicht Ferienhäuser. Allesamt von kleinen, schönen Gärten umgeben. Ich hatte den Eindruck, dass Künstler hier wohnen. In dieser Straße beschloss ich vor etwa 15 Jahren irgendwann ein Ferienhaus am Meer zu kaufen und mir einen Job zu suchen, bei dem ich meiner Kreativität mit Blick auf das Meer nachgehen kann.
Mittlerweile kenne ich die Insel, deren Orte und Buchten sehr gut. Unzählige Male war ich nun schon hier – mit meinen Eltern, mit meiner Schwester, mit meinem Freund, der jetzt mein Mann ist, später kamen wir mit unseren Kindern. Vor etwa drei Jahren kam ich hierher zum Schreiben mit der Inspiration aus Italien im Gepäck. Dann kam ich nicht mehr. Italien hatte mich abgelenkt.
Nun bin ich aber zurück. Ich will in meine Lieblingsbucht. Ein Restaurant gibt es hier und eine Strandbar. Einige Gäste sind zum Essen gekommen. Am Strand ist es noch sehr ruhig. Mein Strandtuch platziere ich auf den Felsen und lege mich darauf. Ich spüre die Sonne auf meiner Haut, betrachte die sattgrün gefärbten Piniennadeln, die Zapfen und den wolkenlosen, hellblauen Himmel über mir, im Hintergrund das sanfte Meeresrauschen. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und blicke auf das Meer, die Boote und die Kornaten. Ich kann sehr viel Zeit damit verbringen, dem Meer zuzusehen, was ich auch eine Zeitlang mache. Dann beschließe ich ein Buch zu lesen. Ein neues. Ich greife in meine Strandtasche und hole es heraus. Im Sitzen mit Blick auf das Meer beginne ich zu lesen. Nach den ersten paar Seiten wird mir klar, dass ich dieses Buch mag. Es könnte eines von der Sorte sein, die ich nicht mehr weglegen kann. Ich muss nun eine andere Position einnehmen. Das Buch liegt nun auf dem Felsen. Die Sonne wärmt meinen Rücken. Seite für Seite lese ich. Ich merke, eine Veränderung in meinem Körper, die nicht einfach zu beschreiben ist. Ein minimaler Anstieg meines Herzschlags oder ein leichtes Vibrieren meines Körpers. Nicht, weil das Buch so spannend ist, sondern weil ich damit in Resonanz gehe. Ich muss mich jetzt wieder aufsetzen. Erneut lese ich den soeben gelesenen Absatz. Ich will sichergehen, dass ich das Gelesene richtig verstanden habe. Es sind zwei Sätze, die in diesem Moment von großer Bedeutung für mich sind. Der Autor schreibt das, was ich mir schon lange denke, was ich mir aber nie getraut hätte, auszusprechen, verpackt in einer Geschichte. Ich bin berührt, lege das Buch zur Seite, blicke wieder auf das Meer und denke über Gelesenes nach. Ich pflücke ein wenig Meerfenchel, der neben mir in einer kleinen Felsspalte wächst, esse davon und schaue dabei wieder raus auf das Meer. Es sind die Farben und das Licht, die mich so faszinieren. Beides ändert sich minütlich. Das Farbspektrum scheint unendlich zu sein, lässt sich nicht auf bestimmte Farben reduzieren. Ich frage mich, wie es gelingen kann, diese Farben auf einer Leinwand einzufangen. Der Wasserfall vom Vortag, dessen Schönheit ich nicht fassen konnte, fällt mir ein und Claude Monet, an den ich dabei denken musste. Ihm hätte dieser Ort auch bestimmt gefallen. Hingerissen wäre er gewesen. Nun blicke ich zum Ufer, auf das glasklare Wasser, auf die Steine, einen darauf haftenden Seestern und auf die Wellenbewegungen. Und in diesem Moment scheint alles miteinander zu verschmelzen. Wie hypnotisiert schaue ich auf das Wasser. Die Linien, die Farben, alles scheint eins zu werden. Es ist der Moment, von dem man sich wünscht, dass er ewig währt. Ich kann ihn kurz festhalten. Dann nimmt alles wieder Gestalt an, Linien, Formen und Farben werden wieder erkennbar. Klarer als zuvor. Und plötzlich gelange ich zu einer inneren Klarheit. Ich bekomme eine Antwort auf eine Frage, die ich mir nicht stellte, die allerdings für jemand anderen von Bedeutung sein könnte.
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