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Pfingstwochenende (2)

Es war Pfingstmontag. Der letzte Tag unseres Aufenthaltes hier in Italien. Ich hatte unruhig geschlafen und war zeitig aufgestanden. Ich ging zum Meer. Ich fühlte mich nicht frei, in meinem Kopf herrschte ein einziges Gedankenchaos. Ich wusste, dass heute die letzte Chance war, um mit ihm zu sprechen. Ich überlegte, was ich sagen sollte. Ich fand keine Antwort. Ich ging zurück ins Hotel und machte mich fertig für das Frühstück. Am Weg zum Speisesaal musste ich an der Rezeption vorbei. Er war noch nicht da. Ich hoffte, dass er kommen würde. Beim Frühstück war meine gesamte Familie versammelt. Wir sprachen über die Heimfahrt. Mein Bruder und seine Freundin hatten ihren Urlaub verlängert und wir überlegten, wo sie noch hinfahren könnten. Ich schlug Piran vor. Nach dem Frühstück mussten wir packen. Meine Aufregung stieg. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, um mit ihm zu sprechen. Während des Packens schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Die diversen Ratschläge meiner Freundinnen, wie ich es angehen sollte. Das Telefonat mit meiner Nachbarin, die mich fragte, ob er mir schon zum Geburtstag gratuliert hatte. Er hatte mir übrigens nicht gratuliert, sondern die Rezeptionistin. Das war mir jetzt aber auch egal. Es gab Wichtigeres zu besprechen als meinen Geburtstag. Wir brachten unsere Koffer zu den Autos und trafen uns in der Eingangshalle des Hotels wieder. Von dort aus hatte ich alles gut im Blick. Die Rezeption, den Speisesaal und das Café. Er war hier. Ich war froh. Er war an der Rezeption und sprach mit der Rezeptionistin. Es war unmöglich jetzt mit ihm zu sprechen. Ich bat im Stillen darum, dass er bleiben würde, da ich mit ihm sprechen musste. Meine Familie wollte nun aufbrechen. Da wir mit mehreren Autos unterwegs waren, verabschiedeten wir uns. Währenddessen ging er an die Bar des Cafés und bestellte einen Espresso. Er beobachtete unser Treiben. Es war, als würde auch er den richtigen Moment abwarten. Unsere Blicke kreuzten sich. Ich verabschiedete mich von meiner Familie. Dabei versuchte ich ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er ging Richtung Garten, blieb in der Tür stehen und sah in den Garten. Meine Familie ging zum Parkplatz hinter dem Hotel. Ich sagte ich müsse nochmal zur Toilette. Dies war nun meine letzte Gelegenheit. Er blickte nochmal kurz zurück zu mir und ging schließlich aus dem Hotel in den Garten Richtung Pool. Ich nahm den Hinterausgang des Hotels und ging von der anderen Seite Richtung Pool. Ich blieb nochmal stehen. Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich nahm einen Schluck von meiner Wasserflasche. Ich schloss kurz meine Augen, um mich zu beruhigen. Ich hatte mich gesammelt, entschlossen ging ich weiter Richtung Pool. Da kam er um die Ecke und blieb stehen. Auch ich blieb stehen. Wir sahen uns an. Ich war überglücklich. Er kam auf mich zu und fasste mich an den Händen. Meine Familie rief nach mir. Ich wusste nicht was zu tun war. Meine Hände lösten sich aus seinen. Ich lief zum Auto meiner Familie, die auf mich wartete. Wir fuhren los. Wir fuhren an ihm vorbei. Ich sah ihn an. Er sah mich an. Wir wussten beide nicht, was soeben passiert war. Im Auto waren alle gut gelaunt. Wir fuhren weg vom Hotel, bogen zweimal ab und waren schon auf der Hauptstraße, die uns nachhause führte. Ich starrte aus dem Fenster. Die Lagune zog an mir vorbei. Die gesamte Landschaft, mit der ich bei meinem ersten Besuch hier nicht wirklich etwas anfangen konnte, die ich jetzt aber liebte, zog an mir vorbei. Ich wollte eigentlich nicht weg. Ich wollte bleiben. Ich konnte nicht verstehen, was ich soeben gemacht hatte. Die Landschaft verlor ihre klaren Linien und verschwamm. Meine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, die nun langsam über mein Gesicht liefen. Mein Schwager erzählte Geschichten von seinen Verwandten in Deutschland. Ich konnte dem Gespräch nicht folgen. Ich konnte nichts hören. Ich war abwesend.