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Wenn dem Leben eine andere Richtung gegeben wird

Ich kann es heute nicht mehr genau beschreiben, was ich damals fühlte, als zwei Wochen vor der Geburt meiner Tochter mein Vater starb. Ich denke es war neben Trauer Leere. Ich stellte mir die Frage, warum das passieren musste und warum genau zu diesem Zeitpunkt. Gleichzeitig wusste ich, dass ich nun stark sein musste. Ich legte den Fokus auf meine Tochter. Ich hielt sie stundenlang in meinen Armen und dennoch fühlte ich mich irgendwie allein. Mein Mann hatte gerade einen neuen Job angenommen und war viel unterwegs. Meine Familie wohnte nicht gerade um die Ecke. Zudem war ich es eigentlich nicht gewohnt zu Hause zu sein, da ich zuvor einen Vollzeitjob hatte und abends oft unterwegs war. Ich begann zu lesen. Das konnte ich gut machen, während meine Tochter in meinen Armen oder neben mir schlief. Ich las ein Buch nach dem anderen. Zumeist Ratgeber. Über den Sinn des Lebens. Zudem ging ich mit meiner Tochter viel spazieren. Ich hatte vergessen, wie sich die Natur anfühlt. Der Sommer kam und ich kann mich noch gut an folgende Situation erinnern. Wir waren am Irrsee um zu baden. Meine Tochter schlief neben mir und ich las, dass jedes Ereignis im Leben einen Sinn hatte. Ich war drauf und dran, das Buch in den See zu schmeißen. Ich wurde beinahe wütend. Der Satz blieb in meinem Kopf hängen. Verstanden habe ich ihn nicht.
Heute, Jahre später, habe ich immer noch keine Antwort darauf, warum das alles so passieren musste. Aber eines weiß ich ganz genau. Wäre mein Vater nicht gestorben, dann hätte ich mich sicherlich nicht mit diesen Lebensthemen beschäftigt. Denn zuvor schien mein Leben perfekt zu verlaufen. Wäre meine Tochter nicht geboren, dann hätte ich die karenzbedingte Auszeit von der Berufswelt nicht gehabt, von der ich eigentlich gar nicht ahnte, dass sie so wichtig für mich war.
Heute bin ich oft allein, dennoch fühle ich mich nicht allein. Ich weiß, dass ich auch nie allein war. Meine Tochter war meine Begleiterin. Wir haben alles gemeinsam gemacht. Ein sehr dickes Band verbindet uns. Und es mag eigenartig klingen, aber manchmal kommt es mir so vor, als sei sie weiser als ich.